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Wie bekomme ich die Menschen in einer Bank auf Innovationskurs?

Die Mitarbeiter einer Bank warten nicht ungeduldig auf Innovation. Notwendige Veränderungen müssen jedoch von allen gemeinsam in Angriff genommen und getragen werden. Wie dies gelingt, zeigt die erfolgreiche Transformation einer Schweizer Bank.

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Dieser Artikel erschien original als Gastbeitrag direkt auf Der Bank Blog.

Ende 2014, Universität St. Gallen, Executive Campus in Rotmonten: Die Aufgabe des Professors „Entwickeln sie auf einem Flipchart ein Unternehmensmodell, in welches ihre Kommilitonen ihr Geld investieren würden.“

45 Minuten später hätten über drei Viertel meiner Kollegen in meine "Simple Bank AG"  investiert und dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Basierend auf weit über tausend selbst geführten oder begleiteten Kundengesprächen bei mehreren Banken in der Schweiz hatte ich eine klare Vorstellung davon, was Bankkunden wirklich wollten. Oder besser gesagt, wofür sie sich einfach nicht interessierten.

Einige Monate später wurde ich mit der Leitung der Strategischen Unternehmensentwicklung einer  mittelgroßen Schweizer Bank betraut. Mein erstes Vorstellungsgespräch mit dem CEO hatte sich zu weiten Teilen um meine Idee der Simplifizierung der Bank gedreht. Ich war Feuer und Flamme für diese Vision und das wirkte wohl ansteckend. Anfangs 2016 begannen wir mit dem totalen Umbau der Bank. Sie befindet sich nach wie vor im Besitz einer Kantonalbank, wurde umfirmiert und betreibt heute sehr erfolgreich die erste mobile-only Bank der Schweiz.

Ausgangslage: „Innovationsuntauglich“

In den Worten von Prof. Heike Bruch war die damalige organisationale Energie in der alten Bank für Innovationen nicht tauglich. Auf den ersten Blick ein beliebter Arbeitgeber. Sehr viele sehr langjährige Mitarbeiter, ein sehr freundlicher und respektvoller Umgang miteinander und eine sehr tiefe Fluktuation.

Diese Atmosphäre übertrug sich auch auf die Kunden. Sehr langjährige Beziehungen waren die Regel, volles Pricing mit positivem Deckungsbeitrag leider oftmals die Ausnahme. Die stetig abnehmende Kundenzahl zeigte uns trocken auf, dass wir zunehmend ein Problem bekommen würden.

Bei näherer Betrachtung funktionierte die Bank trotz, nicht wegen der gewachsenen Prozesse und eingespielten Beziehungen. Die meisten Mitarbeiter fühlten sich wohl. Das wäre per se kein schlechter Zustand, solange die Energie vorwärtsgerichtet gewesen wäre und damit auf konstruktive Art zu einer progressiven und produktiven Weiterentwicklung beigetragen hätte – was aber über weite Strecken nicht der Fall war.

Energy Matrix

Die ersten Schritte – der Nährboden für Innovation entsteht

Wir entschieden wir uns für einen mutigen Neustart durch ein vollständiges Rebranding. In diesem Zuge vereinfachten wir in einer sehr intensiven Phase auch gleichzeitig das komplette Offering der Bank. Das Kreditangebot wurde gestrafft, die Vermögensverwaltungsangebote komplett erneuert und reduziert, die Kontenwelt verkleinert, das komplizierte Rabattierungssystem über Bord geworfen. Kein Stein blieb auf dem anderen, sehr vieles wurde ersatzlos gestrichen. Bestes Beispiel: Die Preisliste konnte von über 8 (!) Seiten auf 2 Seiten reduziert werden. Die Kunden ebenso wie die Kundenberater verstanden viel schneller und einfacher, welche Möglichkeiten sie hatten. Es fühlte sich entlang dem neuen Markenversprechen klar, leicht und transparent an. Und das war es auch.

Gleichzeitig wurde das Gebäude am Hauptsitz ausgehöhlt und bis unters Dach mit modernster Büroarchitektur ausgestattet. Der ehemalige Aufsichtsratssaal im obersten Stockwerk wurde zur Mitarbeiterlounge mit Grill und Panoramaterrasse umfunktioniert. Wertschätzung pur!

Während dieser Monate konnte ich das neue Team der Unternehmensentwicklung bereits mit meiner Vision der "Simple Bank" vertraut machen. Als der Ruf nach einem digitalen Ankerprodukt laut wurde, waren wir bereit. Als Partner für die notwendige Methoden- und Umsetzungskompetenz konnten wir eine unternehmergeführte, auf digitales Banking spezialisierte Beratungsfirma aus Wien gewinnen. Sie ermutigten uns auf Grund ihrer Erfahrungen, mit relativ bescheidenem Budget einen Großen Impact anzustreben.

Der Köder muss dem Fisch schmecken!

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich in Vorstands- und Konzernabteilungssitzungen saß und erklärte, dass wir, unverrückbar, nach folgendem Schema vorgehen würden:

 

  • Zielgruppe definieren,
  • Deren tatsächliche Bedürfnisse, Sorgen und Wünsche eruieren,
  • Prototypen bauen (MVP, Minimal Viable Product) und der Zielgruppe so oft vorlegen, bis sie damit glücklich ist. Nicht funktionierendes beenden,
  • Closed user group release (Private Beta), Weiterentwicklung,
  • Stiller Marktrelease (Public Beta), Weiterentwicklung,
  • Go Public,
  • Weiterentwicklung.

Dieses Vorgehen war neu, ungewohnt und verlangte einiges an Überwindung quer durch alle Gremien. Insbesondere die konsequente Ausrichtung an den Wünschen der Zielgruppe weckte Argwohn.

Eine der zeitintensivsten Aufgaben in dieser Phase war, unsere Vision quer durch alle Ebenen zu verbreiten und möglichst viele Leute damit zu begeistern. Auch bei dieser Aufgabe galt, dass der Fisch dem Wurm schmecken musste. Fachkenntnis, Verständnis für politische Gesetzmäßigkeiten, Commitment, Humor und ein Gespür für unausgesprochenen Widerstand waren die stärksten Waffen.

Das wichtigste war jedoch Unbestechlichkeit – je näher die Umsetzung rückte desto härter musste ich die Vision verteidigen. Jedem, vom Vorstand bis zu den Mitarbeitern von Marketing- bis Rechtsabteilung bläute ich ein, dass Konsequenz der Schlüssel zum Erfolg sein würde. Nicht von der Vision abweichen. Niemals. Projekte scheitern häufig an Komplexität durch Verwässerung der Ursprungsidee und nicht, weil sie zu komplex angedacht waren. Oder weil die Kunden sich etwas anderes gewünscht hätten.

Insbesondere meine feste Überzeugung, dass wir spät im Prozess, auf Basis eines funktionierenden Prototyps oder gar erst während der Weiterentwicklungsloops nach dem Go-Live ein Businessmodell entwickeln können würden löste anfangs Kopfschütteln aus. Der Ruf nach einem Businessplan wurde lauter. Gleichzeitig stiegen aber auch die Begeisterung und das Commitment zu diesem neuartigen Innovationsprojekt quer durch alle Konzernabteilungen.

Winning the Princess

Dank der Umsetzungspower des Teams aus Bankexperten und externen Digitalisierungsprofis konnten wir schon nach wenigen Wochen einen „beweglichen“ Prototypen auf unseren Smartphones mit zu Meetings bringen. Damit wurde die Idee auch für viele Zauderer fassbarer. Jeder und jede kannte inzwischen die Vision und sie war bestechend einfach und einleuchtend.

Nun machte es plötzlich Spaß, Inputs zu geben, dabei zu sein, etwas Positives zu erschaffen! Der Projektname wurde sogar in Vorstellungsgesprächen für neue Mitarbeiter erwähnt und war damit Teil des neuen Employer Brandings. Mitarbeiter der IT-Abteilung arbeiteten in ihrer Freizeit und ohne Angabe der Kostenstelle an der Lösung von Schnittstellenproblemen um das strapazierte Projektbudget nicht belasten zu müssen – bloß, weil sie dieses Projekt unbedingt vorwärts treiben wollten. Ich hatte dutzende von Meldungen in denen Leute ihre Mitarbeit anboten oder gar gleich die Bank wechseln wollten. Die Kundenberater fragten sehr bald, wann sie es endlich ihren Kunden anbieten können wurden.

Wir hatten eine Prinzessin erschaffen, die jeder haben wollte.

Die Aufbruchsstimmung war unglaublich und niemand konnte sich dem positiven Sog entziehen. Die organisationale Energie war sehr hoch, die Motivation spürbar und jeder war stolz auf das erreichte.

Productive Energy

 

Quasi als Nebenprodukt hatten wir einen auf Hochtouren laufenden Inkubator geschaffen der von Inputs quer durch die Organisation lebte – ganz ohne schicke Industriehalle mit den vermeintlich hippsten Köpfen und hohen Budgets mit wenig konkreten Zielen. Auch die notwendigen Weiterentwicklungen entstanden so aus dem gesamten Betrieb und wurden durch diesen getragen.

Kritische Eckpunkte des Projekts

Das digitale Ankerprodukt zur Unterstützung des Wandels wurde zur ersten Swissmade Mobile Only Bank und hat in den ersten Monaten nach der Markteinführung über 18 Prozent Neukunden für die neue Bank generiert. Wenn nur ein kleiner Teil dieser neuen Kunden irgendwann eine Hypothek für ein Eigenheim abschließen, ihre Vorsorge anlegen oder weitere Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen, wird sich das Ganze auch ökonomisch gelohnt haben. Soviel zum Business Case.

Folgende Punkte erachte ich als "mission critical":

  • Vision: Belastbar, einfach aber konkret – eine Person reicht am Anfang! Visionen sind selten Teamsache, die Umsetzung hingegen umso mehr
  • Konsequenz: Der Leader muss in Tun und Reden konsequent sein bis zum Schluss, denn die Begehrlichkeiten zur Aufweichung kommen mit der Umsetzung
  • Mut: Das Ziel steht zuoberst, nicht die eigene Karriere. Das beeindruckt auch alle übergeordneten Entscheider. Mit Schmerzen ist aber zu rechnen
  • Humor: Um möglichst viele Köpfe zum Mitdenken zu bewegen hilft es, nicht immer bierernst zu sein. Eine fokussierte, aber lockere Stimmung ist fruchtbarer Boden für Erfolge
  • Den richtiger Partner wählen: Gleichgeschaltete Interessen (Erfolg), immer dieselben Spezialisten vor Ort anstelle dauernd wechselnder Consultants und belegbare Expertise.
  • Kommunikation: Reden sie sich den Mund fusselig! Ihre Vision ist ansteckend und das brauchen sie. „I have a Plan” mobilisiert nicht genügend – „I have a dream” schon!

Sollten sie der geneigte Leser nun fragen, wie denn diese starke Vision gelautet habe, lassen sie mich Folgendes sagen: Eine Vision zu haben bedeutet, etwas zu sehen, was nicht sichtbar ist. Nun, nachdem die Vision verwirklicht und so für jeden sichtbar wurde ist sie verbraucht und nicht weiter interessant.

Mein eindringlicher Rat: Entwickeln sie alleine für sich Ihre eigene Vision und ziehen sie die durch – das Gefühl ist unbeschreiblich gut.


Christian Heller
Christian Heller

Christian Heller ist Key Account Manager von Finnoconsult für den Schweizerischen Markt. Der Innovations-Macher mit Fokus auf reale Umgebungen hält einen Executive MBA der Hochschule St. Gallen und verantwortete als Leiter der strategischen Unternehmensentwicklung die Umwandlung einer schweizweit etablierten Retailbank zu einem modernen, wachsenden Unternehmen mit Innovationsführerschaft in mobile-only banking.

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